Rolando Villazon und sein Viva la Mamma in Wien

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Resolute Mamma rettet ägyptisches Starwarschaos

Rolando lädt AllesKlassik-Leser ein.

Die Frage, warum Rolando Villazón für seine dritte Regiearbeit erneut eine Donizetti-Oper ausgesucht hat, ist rasch beantwortet, wenn man den eigentlichen Titel von „Viva la Mamma“ hört: „Le convenienze ed inconvenienze teatrali“ ,also „Die Sitten und Unsitten am Theater“.
Der köstlich-amüsante Stoff, bei dem Donizetti viel aus eigenen Opernerfahrungen schöpfen konnte (und der auch nach fast 200 Jahren absolut aktuell daherkommt), eignet sich einfach hervorragend für den smarten Villazón, den Opernsänger, Autor, Philosophen, Chaplin-Fan, Pantomimen, den Clown, den Rundumkünstler. Nach der lehrreichen Erfahrung aus Baden-Baden, wo er den Liebestrank inszenierte und gleichzeitig die Rolle des Nemorino sang, konzentrierte er sich diesmal wieder „nur“ auf die Regie (wie bei seinem Erstlingswerk Werther in Lyon). In Baden-Baden musste er erfahren (so erzählte er uns in fast makellosem Deutsch bei einem Gespräch am Vorabend der Generalprobe), dass vor lauter Regiearbeit dem Sänger Villazón beinahe zu wenig Zeit geblieben war, um die so wichtige Atmosphäre um sich herum zu schaffen, in der der Sänger schweben muss, um eins zu werden mit seiner Rolle. Also Singen und Regie – niemals wieder… nun ja… solange bis er es sich wieder anders überlegt!

Zum Komponisten:
Immer wieder erstaunt mich, welche künstlerischen Kräfte in einem Komponisten wie Gaetano Donizetti stecken: knapp 70 (siebzig!!) Opern verdanken wir jenem Mann aus dem lombardischen Bergamo, der aus ärmlichen Verhältnissen kam, als Knabe Chorgesang studierte, später Kirchenmusik komponierte, mit 16 Buffo-Bass sang, privat mehrere herbe Schicksalsschläge erleiden musste und der zuletzt, vom eigenen Neffen  für unzurechnungsfähig erklärt, an den Spätfolgen der Syphilis starb. Welch‘ geballte musikalische Leidenschaft floss in Gaetano Doniziettis Adern?!

Rolando erklärt seine Arbeit

Zur Oper:
Einen Monat benötigte Donizetti, um nach einer eigenen Idee, angelehnt an eine Komödie von Antonio Simone Sografi, einen saalfüllenden Einakter zu schreiben. Später erweiterte er die Buffo-Oper auf 2. Akte. An der Volksoper sehen wir das Werk in deutscher Sprache (freche Sprüche natürlich inklusive).
Kurz zum Inhalt: An einem österreichischen Provinztheater fehlen nur drei Wochen bis zur Aufführung der italienischen Barockoper Romulus und Ersilia. Alles, was bei Proben nur passieren kann, passiert, jeder der Mitwirkenden ist davon betroffen, egal ob vor oder hinter der Bühne. Zu allem Übel mischt sich noch die Mutter der Sopranistin Nummer 2 ein: Die äußerst resolute Mamma Agata promotet zunächst ihre Tochter, später übernimmt sie etwas größenwahnsinnig die vakante Rolle der Königin. Den hinausgeekelten Tenor ersetzt der Direktor in seiner Verzweiflung und mangels Alternative mit einem Ex-Künstlermanager und Beinahe-Ex-Mann des Soprans Nummer 1, der allerding ein Bariton ist. Die Opernwelt wird kräftig auf die Schippe genommen, bei vielen Situationen hat man ein „déjà-vu“ im Sinne von: die Wirklichkeit sieht am Theater nicht viel anders aus, ist vielleicht manchmal sogar noch schlimmer! Natürlich darf die Problematik der knappen Kasse nicht fehlen, Mamma Agata hat da eine Idee.
Mehr wird heute nicht verraten.

Regiepult von Rolando

Zur Musik:
Ganz allerliebst tauchen musikalische Bilder u.a. aus dem Liebestrank auf, viel typisch Donizettihaftes gibt es, die in „Viva la Mamma“ nichtvorhandene Tenorarie ersetzt Villazón kurzerhand durch die wunderschöne Romanze „Ideale“ (eines seiner eigenen Konzertabend-Paradestücke) und verhilft so der Komposition von Francesco Paolo Tosti auf die Bühne eines Opernhauses, für die Tosti selbst (leider) nie geschrieben hat. Der österreichische Tenor Jörg Schneider kann als Vladimir mit sehr schönem Timbre und großer schauspielerischer Komik punkten.
Ebenso schön können sich die beiden Sopranistinnen zelebrieren: Anja-Nina Bahrmann als Sopran Nummer 1 Corilla – eine Rolle, die auch Montserrat Caballé schon sang – und Julia Koci als Sopran Nummer 2 Luisa. Sowohl für den Bariton (Daniel Ochoa als Corillas Ehemann Stefano) also auch für die „kleineren“ Rollen ‚Der Dirigent‘ (Günter Haumer), ‚Der Regisseur‘ (Marco di Sapia) und ‚Der Theaterdirektor‘ (Andreas Mitschke) gibt es Platz für Volumen, Ausdruck und Spiel. Um 360Grad glänzen kann Martin Winkler, Bassbariton aus Bregenz, der (oft mit vollem Köpereinsatz) als Mamma Agata Chaos schafft bzw. selbiges glättet und dabei auch stimmlich dominant präsent ist.

Ein Blick auf das Ganze

Zum ersten Gesamteindruck der Inszenierung:
„Viva la Mamma“ gefällt mit einem relativ simplen aber durchaus ordentlichen Bühnenbild von Friedrich Despalmes, einer ideenreichen Choreografie von Vesa Orlic, mit Kostümen von Susanne Hubrich, die von alltagstauglich über ägyptisch bis sternenkriegerisch einiges zu bieten haben (auch hier verraten wir nicht mehr).  Die aus Estland stammende Dirigentin Kristiina Poska schwingt einen exzellent leicht-frischen Taktstock über dem Volksopernorchester.
Durch die britische Mimin Nola Rae (schon bei Villazóns Lyon-Werther dabei) ordentlich gecoacht, meistern Sänger, Chor (einstudiert von Holger Kristen) und Komparsen der Volksoper Wien das Spektakel mit Bravour. Wahrlich fabelhaft und unbedingt erwähnenswert das Wiener Staatsballett in Topform. Bravissimi!!

Soviel ich weiß, begegnete Villazón „Viva la Mamma“ zum ersten Mal in seiner Studienzeit in Mexiko. Welch‘ wundersame Wege Musik öffnet! Nun ist es wieder so weit: Rolando Villazón serviert ab 17.1. (Premiere) bis 4.2.2015 mit Charme, Witz, Schlagfertigkeit und Phantasie ein fröhliches, farbenfrohes Potpourri. Toi toi toi!

Martin Winkler-die ideale Mamma lebe hoch

Für AllesKlassik, Ingrid Adamiker

Videobeispiel

http://www.volksoper.at/Content.Node2/home/spielplan/spielplan_detail.php?event_id=963487332&produktion_id=961299564#